Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung

Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen

Eingangsformel

Auf Grund des § 505e des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der durch Artikel 6 Nummer 4 des Gesetzes vom 6. Juni 2017 (BGBl. I S. 1495) eingefügt worden ist, und des § 18a Absatz 10a des Kreditwesengesetzes, der durch Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe c des Gesetzes vom 6. Juni 2017 (BGBl. I S. 1495) eingefügt worden ist, verordnen das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz:

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung findet Anwendung auf die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nach den §§ 505a und 505b Absatz 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und nach § 18a Absatz 1 bis 5 des Kreditwesengesetzes.

§ 2 Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung

(1) Die Kreditwürdigkeitsprüfung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag dient der Bewertung, ob es wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird. Hierfür muss der Darlehensgeber nach einer Gesamtschau der relevanten Faktoren zu einer vernünftigerweise vertretbaren Prognose gelangen.
(2) Der Darlehensgeber hat die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers auf der Grundlage notwendiger, ausreichender und angemessener Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Darlehensnehmers eingehend zu prüfen.
(3) Der Umfang der Prüfung der zu berücksichtigenden Faktoren und der hierfür einzuholenden Informationen sowie die anzuwendenden Verfahren richten sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Auch wenn der Darlehensgeber standardisierte Vorgaben für die Kreditwürdigkeitsprüfung anwendet, kann er von diesen abweichen und auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abstellen.

§ 3 Anforderungen an die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit

(1) Bei der Prognose, welche künftigen Entwicklungen wahrscheinlich sind, kann der Darlehensgeber einen nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Verlauf der Dinge unterstellen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für einen abweichenden Verlauf vorliegen.
(2) Der Prognosezeitraum richtet sich nach dem Zeitraum, in dem die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen sind. Je weiter der Prognosezeitraum in die Zukunft reicht, desto stärker kann auf Erfahrungswerte und Schätzungen zurückgegriffen werden.
(3) Die wirtschaftlichen Auswirkungen künftiger Ereignisse können aufgrund von Erfahrungswerten geschätzt werden, soweit aussagekräftige Informationen nicht mit verhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln sind.

§ 4 Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigende Faktoren

(1) Der Darlehensgeber hat die Faktoren angemessen zu berücksichtigen, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann. Dies sind insbesondere:
1.
künftig erforderliche Zahlungen oder Zahlungserhöhungen, die sich infolge einer negativen Amortisation oder infolge aufgeschobener Tilgungs- oder Zinszahlungen ergeben können,
2.
sonstige regelmäßige Ausgaben, Schulden und sonstige finanzielle Verbindlichkeiten,
3.
künftig zu erwartende Einnahmen aus einer Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, soweit diese Einnahmen dem Grunde und der Höhe nach wahrscheinlich und nachhaltig zu erzielen sind, wobei mögliche, aber ungewisse Mietsteigerungen nicht zu berücksichtigen sind,
4.
sonstiges Einkommen, Ersparnisse und andere Vermögenswerte.
(2) Als andere Vermögenswerte des Darlehensnehmers können auch Immobilien berücksichtigt werden. Bezieht sich der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag auf eine Wohnimmobilie, so kann der Wert dieser Wohnimmobilie nur als zusätzliches Merkmal zu anderen Faktoren, auf die die Prüfung hauptsächlich gestützt wird, berücksichtigt werden.
(3) Zukünftige wahrscheinliche negative Ereignisse wie beispielsweise ein verringertes Einkommen für den Fall, dass die Vertragslaufzeit in die Zeit des Ruhestands hineinreicht, ein Anstieg des Sollzinssatzes oder eine negative Entwicklung des Wechselkurses sind ausreichend zu berücksichtigen. Der Eintritt nach der Lebenserfahrung möglicher, aber nicht überwiegend wahrscheinlicher negativer Ereignisse wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Scheidung, Aufhebung einer Lebenspartnerschaft oder das Versterben des Darlehensnehmers während der Vertragslaufzeit braucht nur berücksichtigt zu werden, wenn für ihren Eintritt konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Auch in diesem Fall kann die Möglichkeit, dass der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit verstirbt, unberücksichtigt bleiben, wenn
1.
wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer zu Lebzeiten den jeweils fälligen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen, voraussichtlich vertragsgemäß nachkommen wird, und
2.
der Immobilienwert oder der Wert anderer als Sicherheiten dienender Vermögenswerte des Darlehensnehmers hinreichende Gewähr für die Abdeckung der im Zusammenhang mit dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehenden Verbindlichkeiten und eventuellen Verwertungskosten bietet.
(4) Zukünftige wahrscheinliche positive Ereignisse wie beispielsweise eine Verlängerung oder Entfristung eines Beschäftigungsverhältnisses, die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit nach einer Elternzeit, die Aufstockung der Arbeitszeit nach Teilzeittätigkeit oder eine Beförderung können berücksichtigt werden. Ein zukünftiges positives Ereignis ist wahrscheinlich, wenn es bezogen auf die konkreten Umstände, wie beispielsweise die Branche und den Beruf, nach der Lebenserfahrung voraussichtlich anzunehmen, wenn auch nicht sicher ist. Einen erwarteten deutlichen Anstieg des Einkommens oder einen Vermögenszuwachs, etwa infolge einer Abfindungszahlung, darf der Darlehensgeber nur berücksichtigen, sofern die vom Darlehensnehmer vorgelegten Unterlagen einen ausreichenden Nachweis dafür bieten.
(5) Wird mit Ablauf der Laufzeit des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages vereinbarungsgemäß der Darlehensbetrag ganz oder teilweise zur Rückzahlung fällig, so muss sich die Kreditwürdigkeitsprüfung auch auf die Wahrscheinlichkeit erstrecken, dass der Darlehensnehmer der Verpflichtung zur Rückzahlung dieses Betrages vertragsgemäß wird nachkommen können. Soweit der endfällige Betrag vereinbarungsgemäß nicht aus eigenen Mitteln des Darlehensnehmers geleistet werden soll, hat sich die Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Anschlussdarlehensvertrages zu erstrecken, mit dem der verbleibende Betrag finanziert werden kann und für den der Darlehensnehmer voraussichtlich kreditwürdig sein muss.

§ 5 Bau- und Renovierungsdarlehen

Bei Darlehensverträgen, die dem Bau oder der Renovierung einer Wohnimmobilie dienen, darf im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung der hierdurch zu erwartende Wertzuwachs berücksichtigt werden.

§ 6 Abschnittsfinanzierungen mit einem neuen Darlehensgeber

Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, der die Voraussetzungen des § 505a Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des § 18a Absatz 2a Satz 1 Nummer 1 des Kreditwesengesetzes nur deshalb nicht erfüllt, weil der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit einem anderen als dem bisherigen Darlehensgeber abgeschlossen werden soll, kann im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung das Zahlungsverhalten berücksichtigt werden, das der Darlehensnehmer im Rahmen des abzulösenden Darlehensvertrages gezeigt hat.

§ 7 Neue Kreditwürdigkeitsprüfung bei deutlicher Erhöhung des Nettodarlehensbetrages

(1) In der Regel liegt eine deutliche Erhöhung des Nettodarlehensbetrages nach Vertragsschluss im Sinne des § 505a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des § 18a Absatz 2 des Kreditwesengesetzes erst vor, wenn der Nettodarlehensbetrag sich um mehr als 10 Prozent erhöht.
(2) Bei einer neuen Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 505a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und nach § 18a Absatz 2 des Kreditwesengesetzes darf das bisherige Zahlungsverhalten des Darlehensnehmers berücksichtigt werden. Dies gilt auch in den Fällen des § 505a Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des § 18a Absatz 2a Satz 1 des Kreditwesengesetzes.

§ 8 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.