Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung

Verordnung über die Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung gilt für die Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb, soweit diese dem Bund obliegt.

§ 2 Untersuchungs- und Meldepflicht

(1) Zweck der Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb ist die Ermittlung der Ursachen mit dem Ziel, gefährliche Ereignisse zu verhüten und die Eisenbahnsicherheit zu verbessern.
(2) Die zuständige Untersuchungsbehörde hat nach schweren Unfällen im Eisenbahnbetrieb Untersuchungen durchzuführen. In den übrigen Fällen kann sie Untersuchungen durchführen.
(3) Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben dem Eisenbahn-Bundesamt sämtliche gefährliche Ereignisse im Eisenbahnbetrieb unverzüglich zu melden. Die Untersuchungsbehörde kann eine bestimmte Form der Meldung vorschreiben.
(4) Die Eisenbahnen haben den Untersuchungsbehörden sämtliche für die Untersuchung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

§ 3 Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten, der Agentur und den Ländern

(1) Wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat an einem gefährlichen Ereignis beteiligt ist, ist die Untersuchungsstelle dieses Mitgliedstaates von der zuständigen Untersuchungsbehörde zu unterrichten und ihr ist die Mitwirkung an der Untersuchung zu ermöglichen. Im Übrigen kann eine Mitwirkung der Untersuchungsstelle eines anderen Mitgliedstaates an einer Untersuchung erfolgen, wenn das gefährliche Ereignis nicht eindeutig dem Inland oder Ausland zugeordnet werden kann oder an der Grenze eingetreten ist.
(2) Führt die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde eine Untersuchung durch, so teilt sie dies der Europäischen Eisenbahnagentur (Agentur) innerhalb einer Woche nach Beginn der Untersuchung mit. Diese Mitteilung muss Datum, Uhrzeit und Ort des Ereignisses sowie Art und Folgen in Bezug auf Todesopfer, Verletzte und Sachschäden enthalten.
(3) Hat sich ein gefährliches Ereignis auf einer nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastruktur ereignet, ist die zuständige Genehmigungsbehörde des Landes unverzüglich hierüber zu unterrichten. Die Untersuchung ist im Benehmen mit ihr zu führen.

§ 4 Maßnahmen an der Unfallstelle

(1) Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind verpflichtet, die Unfallstelle unverzüglich zu sichern und gegen den Zutritt Unbefugter abzusperren. Über den Zutritt zur abgesperrten Unfallstelle und über die Freigabe der Unfallstelle, der Fahrzeuge und deren Teile sowie der Ladung entscheidet der mit der Untersuchung betraute Mitarbeiter der zuständigen Untersuchungsbehörde (Untersuchungsbeauftragte) im Benehmen mit der Strafverfolgungsbehörde.
(2) Die Unfallstelle, Unfallspuren, Fahrzeuge, Fahrzeugteile und sonstiger Inhalt der Fahrzeuge dürfen bis zur Freigabe durch den Untersuchungsbeauftragten nicht berührt oder verändert werden.
(3) Von den Absätzen 1 und 2 bleiben unberührt
1.
Bergungs- und Rettungsmaßnahmen,
2.
Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr,
3.
Löschmaßnahmen.

§ 5 Untersuchungsbericht

(1) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde unterrichtet die Öffentlichkeit regelmäßig über Untersuchungen schwerer Unfälle oder sonstiger gefährlicher Ereignisse, die zu schweren Unfällen hätten führen können.
(2) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde erstellt einen Untersuchungsbericht. Der Untersuchungsbericht berücksichtigt die Vorgaben nach Anhang V der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. EU Nr. L 164 S. 44, Nr. L 220 S. 16) und enthält die im Zusammenhang mit der Untersuchung ausgesprochenen Sicherheitsempfehlungen.
(3) Angaben im Untersuchungsbericht, die nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit haben können, sind ausschließlich in einem gesonderten Berichtsteil zu führen.
(4) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde kann
1.
schriftlich die betroffenen Eisenbahnen, Halter, Hersteller, die Sicherheitsbehörde sowie die beteiligten Rettungsdienste und
2.
durch Bekanntmachung auf ihrer Internetseite Unfallopfer und deren Angehörige sowie Eigentümer beschädigter Sachen, einschließlich ihrer bevollmächtigten Vertreter,
darauf hinweisen, dass sie den Entwurf des Untersuchungsberichts, mit Ausnahme des gesonderten Berichtsteils im Sinne des Absatzes 3, schriftlich anfordern und sich zu den für die Ursachenfeststellung maßgeblichen Tatsachen und Schlussfolgerungen innerhalb einer von der zuständigen Untersuchungsbehörde festgelegten angemessenen Frist schriftlich äußern können.
(5) Der Untersuchungsbericht nach Absatz 1 soll innerhalb eines Jahres nach dem gefährlichen Ereignis fertiggestellt werden und ist der Agentur zuzuleiten. Den Betroffenen im Sinne des Absatzes 4 Nr. 1 wird der Bericht ohne den gesonderten Berichtsteil zugeleitet. Er wird ferner ohne den gesonderten Berichtsteil auf der Internetseite der für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständigen Untersuchungsbehörde veröffentlicht.

§ 6 Sicherheitsempfehlungen

(1) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde kann jederzeit Sicherheitsempfehlungen aussprechen. Diese enthalten die Maßnahmen, die nach den bei der Untersuchung schwerer Unfälle gewonnenen Erkenntnisse zur Verbesserung der Eisenbahnsicherheit und Verhütung gefährlicher Ereignisse erforderlich sind.
(2) Die Sicherheitsempfehlungen sind an die Sicherheitsbehörde und, sofern erforderlich, an andere Stellen oder Behörden oder an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu richten. Die Sicherheitsbehörde stellt im Rahmen ihrer Befugnisse sicher, dass die an sie gerichteten Sicherheitsempfehlungen, auch solche anderer Mitgliedstaaten, beachtet und soweit erforderlich umgesetzt werden. Die inländischen Adressaten von Sicherheitsempfehlungen unterrichten die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde bis zum 31. August jeden Jahres über die auf Grund der Sicherheitsempfehlungen im Vorjahr ergriffenen oder geplanten Maßnahmen. Im Fall einer Sicherheitsempfehlung, die durch einen anderen Mitgliedstaat ausgesprochen wurde, gilt Satz 3 mit der Maßgabe, dass die Sicherheitsbehörde diesen unterrichtet.

§ 7 Jahresbericht

(1) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde veröffentlicht jedes Jahr spätestens bis zum 30. September einen Bericht über die im Vorjahr durchgeführten Untersuchungen, die ausgesprochenen Sicherheitsempfehlungen und die auf Grund früherer Sicherheitsempfehlungen getroffenen Maßnahmen.
(2) Die für die Untersuchung schwerer Unfälle zuständige Untersuchungsbehörde übermittelt der Agentur jährlich ein Exemplar des Jahresberichts.

§ 8 Aufbewahrungsfristen

Sachakten über die Untersuchung von gefährlichen Ereignissen mit Todesopfern müssen von der Untersuchungsbehörde mindestens 30 Jahre, Sachakten über die Untersuchung anderer gefährlicher Ereignisse müssen mindestens 20 Jahre aufbewahrt werden. Die Frist nach Satz 1 beginnt mit dem Abschluss des Verfahrens.

§ 9 Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrig im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a des Allgemeinen Eisenbahngesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig als im Unternehmen Verantwortlicher entgegen § 2 Abs. 3 Satz 1 eine Meldung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig macht.