Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung

Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach

Eingangsformel

Auf Grund
des § 130a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Nummer 3 der Zivilprozessordnung, der durch Artikel 1 Nummer 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) neu gefasst worden ist,
des § 46c Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Nummer 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes, der durch Artikel 3 Nummer 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) neu gefasst worden ist,
des § 65a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Nummer 3 des Sozialgerichtsgesetzes, der durch Artikel 4 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) neu gefasst worden ist,
des § 55a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Nummer 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, der durch Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) neu gefasst worden ist, und
des § 52a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Nummer 3 der Finanzgerichtsordnung, der durch Artikel 6 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) neu gefasst worden ist,
jeweils in Verbindung mit Artikel 25 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786), und auf Grund
des § 14 Absatz 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der durch Artikel 13 Nummer 3 Buchstabe c des Gesetzes vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) geändert worden ist,
des § 81 Absatz 4 der Grundbuchordnung, der durch Artikel 1 Nummer 13 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2713) neu gefasst worden ist, und
des § 89 Absatz 4 der Schiffsregisterordnung, der durch Artikel 4 Absatz 5 Nummer 4 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2713) neu gefasst worden ist,
verordnet die Bundesregierung:

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Gerichte der Länder und des Bundes sowie die Bearbeitung elektronischer Dokumente durch diese Gerichte nach § 130a der Zivilprozessordnung, § 46c des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 65a des Sozialgerichtsgesetzes, § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung und § 52a der Finanzgerichtsordnung. Sie gilt ferner nach Maßgabe des Kapitels 4 für die Übermittlung elektronischer Dokumente an Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte der Länder und des Bundes nach § 32a der Strafprozessordnung sowie die Bearbeitung elektronischer Dokumente.
(2) Besondere bundesrechtliche Vorschriften über die Übermittlung elektronischer Dokumente und strukturierter maschinenlesbarer Datensätze bleiben unberührt.

§ 2 Anforderungen an elektronische Dokumente

(1) Das elektronische Dokument ist in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Wenn bildliche Darstellungen im Dateiformat PDF nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, darf das elektronische Dokument zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden. Die Dateiformate PDF und TIFF müssen den nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 bekanntgemachten Versionen entsprechen.
(2) Der Dateiname soll den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung enthalten.
(3) Dem elektronischen Dokument soll ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz im Dateiformat XML beigefügt werden, der den nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 bekanntgemachten Definitions- oder Schemadateien entspricht und mindestens enthält:
1.
die Bezeichnung des Gerichts;
2.
sofern bekannt, das Aktenzeichen des Verfahrens;
3.
die Bezeichnung der Parteien oder Verfahrensbeteiligten;
4.
die Angabe des Verfahrensgegenstandes;
5.
sofern bekannt, das Aktenzeichen eines denselben Verfahrensgegenstand betreffenden Verfahrens und die Bezeichnung der die Akten führenden Stelle.

§ 3 Überschreitung der Höchstgrenzen

Wird glaubhaft gemacht, dass die nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 bekanntgemachten Höchstgrenzen für die Anzahl oder das Volumen elektronischer Dokumente nicht eingehalten werden können, kann die Übermittlung als Schriftsatz nach den allgemeinen Vorschriften erfolgen, möglichst unter Beifügung des Schriftsatzes und der Anlagen als elektronische Dokumente auf einem nach § 5 Absatz 1 Nummer 4 bekanntgemachten zulässigen physischen Datenträger.

§ 4 Übermittlung elektronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur

(1) Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:
1.
auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
2.
an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.
(2) Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden.

§ 5 Bekanntmachung technischer Anforderungen

(1) Die Bundesregierung macht folgende technische Anforderungen an die Übermittlung und Bearbeitung elektronischer Dokumente im Bundesanzeiger und auf der Internetseite www.justiz.de bekannt:
1.
die Versionen der Dateiformate PDF und TIFF;
2.
die Definitions- oder Schemadateien, die bei der Übermittlung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes im Format XML genutzt werden sollen;
3.
die Höchstgrenzen für die Anzahl und das Volumen elektronischer Dokumente;
4.
die zulässigen physischen Datenträger;
5.
die Einzelheiten der Anbringung der qualifizierten elektronischen Signatur am elektronischen Dokument.
(2) Die technischen Anforderungen müssen den aktuellen Stand der Technik und die Barrierefreiheit im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 25. November 2016 (BGBl. I S. 2659) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, berücksichtigen und mit einer Mindestgültigkeitsdauer bekanntgemacht werden. Die technischen Anforderungen können mit einem Ablaufdatum nach der Mindestgültigkeitsdauer versehen werden, ab dem sie voraussichtlich durch neue bekanntgegebene Anforderungen abgelöst sein müssen.

§ 6 Besonderes elektronisches Behördenpostfach; Anforderungen

(1) Die Behörden sowie juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Postfachinhaber) können zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Behördenpostfach verwenden,
1.
das auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht,
2.
bei dem die Identität des Postfachinhabers in einem Identifizierungsverfahren geprüft und bestätigt wurde,
3.
bei dem der Postfachinhaber in ein sicheres elektronisches Verzeichnis eingetragen ist und
4.
bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde.
(2) Das besondere elektronische Behördenpostfach muss
1.
über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, andere Inhaber von besonderen elektronischen Postfächern aufzufinden,
2.
für andere Inhaber von besonderen elektronischen Postfächern adressierbar sein und
3.
barrierefrei sein im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 25. November 2016 (BGBl. I S. 2659) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

§ 7 Identifizierungsverfahren

(1) Die von den obersten Behörden des Bundes oder den Landesregierungen für ihren Bereich bestimmten öffentlich-rechtlichen Stellen prüfen die Identität der Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts und bestätigen dies in einem sicheren elektronischen Verzeichnis. Die obersten Behörden des Bundes oder mehrere Landesregierungen können auch eine öffentlich-rechtliche Stelle gemeinsam für ihre Bereiche bestimmen.
(2) Bei der Prüfung der Identität ist zu ermitteln, ob
1.
der Postfachinhaber eine inländische Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist und
2.
Name und Sitz des Postfachinhabers zutreffend bezeichnet sind.

§ 8 Zugang und Zugangsberechtigung; Verwaltung

(1) Der Postfachinhaber bestimmt die natürlichen Personen, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung.
(2) Der Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erfolgt ausschließlich mithilfe des Zertifikats und des Zertifikats-Passworts des Postfachinhabers. Die Zugangsberechtigten dürfen das Zertifikat nicht an Unbefugte weitergeben und haben das Zertifikats-Passwort geheim zu halten.
(3) Der Postfachinhaber kann die Zugangsberechtigungen zum besonderen elektronischen Behördenpostfach jederzeit aufheben oder einschränken.
(4) Der Postfachinhaber hat zu dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde. Er stellt zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist.
(5) Unbeschadet der Absätze 1, 3 und 4 kann die Verwaltung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs behördenübergreifend automatisiert und an zentraler Stelle erfolgen.

§ 9 Änderung und Löschung

(1) Der Postfachinhaber hat Änderungen seines Namens oder Sitzes unverzüglich der nach § 7 Absatz 1 bestimmten Stelle anzuzeigen.
(2) Der Postfachinhaber kann jederzeit die Löschung seines besonderen elektronischen Behördenpostfachs veranlassen. Er hat die Löschung seines besonderen elektronischen Behördenpostfachs zu veranlassen, wenn seine Berechtigung zur Nutzung des besonderen elektronischen Behördenpostfachs endet.

§ 10 Schriftlich abzufassende, zu unterschreibende oder zu unterzeichnende Dokumente

Die Kapitel 2 und 3 gelten im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs mit Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für schriftlich abzufassende, zu unterschreibende oder zu unterzeichnende Dokumente, die gemäß § 32a Absatz 3 der Strafprozessordnung elektronisch eingereicht werden, mit der Maßgabe, dass der Datensatz nach § 2 Absatz 3 mindestens folgende Angaben enthält:
1.
die Bezeichnung der Strafverfolgungsbehörde oder des Gerichts;
2.
sofern bekannt, das Aktenzeichen des Verfahrens oder die Vorgangsnummer;
3.
die Bezeichnung der beschuldigten Personen oder der Verfahrensbeteiligten; bei Verfahren gegen Unbekannt enthält der Datensatz anstelle der Bezeichnung der beschuldigten Personen die Bezeichnung „Unbekannt“ sowie, sofern bekannt, die Bezeichnung der geschädigten Personen;
4.
die Angabe der den beschuldigten Personen zur Last gelegten Straftat oder des Verfahrensgegenstandes;
5.
sofern bekannt, das Aktenzeichen eines denselben Verfahrensgegenstand betreffenden Verfahrens und die Bezeichnung der die Akten führenden Stelle.

§ 11 Sonstige verfahrensbezogene elektronische Dokumente

(1) Sonstige verfahrensbezogene elektronische Dokumente, die an Strafverfolgungsbehörden oder Strafgerichte übermittelt werden, sollen den Anforderungen des § 2 entsprechen. Entsprechen sie diesen Anforderungen nicht und sind sie zur Bearbeitung durch die Behörde oder das Gericht aufgrund der dortigen technischen Ausstattung oder der dort einzuhaltenden Sicherheitsstandards nicht geeignet, so liegt ein wirksamer Eingang nicht vor. In der Mitteilung nach § 32a Absatz 6 Satz 1 der Strafprozessordnung ist auf die in § 2 geregelten technischen Rahmenbedingungen hinzuweisen.
(2) Die Übermittlung kann auch auf anderen als den in § 32a Absatz 4 der Strafprozessordnung genannten Übermittlungswegen erfolgen, wenn ein solcher Übermittlungsweg für die Entgegennahme verfahrensbezogener elektronischer Dokumente generell und ausdrücklich eröffnet ist.

§ 12 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.
(2) Mit Ablauf des 31. Dezember 2017 treten außer Kraft:
1.
Anlage Nummer 1 bis 4 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130), die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 16 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist;
2.
die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 9. März 2006 (BGBl. I S. 519), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2338) geändert worden ist;
3.
die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht vom 18. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3219), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2339) geändert worden ist;
4.
die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091), die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 25 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist.
(3) § 2 Absatz 1 Satz 4 dieser Verordnung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2019 außer Kraft.

Schlussformel

Der Bundesrat hat zugestimmt.