Edelsteingraveurmeisterverordnung

Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Edelsteingraveur-Handwerk

Eingangsformel

Auf Grund des § 45 der Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Dezember 1965 (BGBl. 1966 I S. 1), der zuletzt durch Artikel 24 Nr. 1 des Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, verordnet der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft:

§ 1 Berufsbild

(1) Dem Edelsteingraveur-Handwerk sind folgende Tätigkeiten zuzurechnen:
Entwurf, Gestaltung, Anfertigung, Bearbeitung und Restaurierung von Schmuck sowie anderen Gegenständen aus Edelsteinen, synthetischen Steinen und künstlichen Produkten.
(2) Dem Edelsteingraveur-Handwerk sind folgende Kenntnisse und Fertigkeiten zuzurechnen:
1.
Kenntnisse der Gestaltungs- und Formenlehre,
2.
Kenntnisse der berufsbezogenen Kunstgeschichte,
3.
Kenntnisse der berufsbezogenen Formtechnik und des Anfertigens von Modellen,
4.
Kenntnisse der Gieß- und Abdruckverfahren,
5.
Kenntnisse in der Anwendung von Säuren, Basen, Salzen und Gasen,
6.
Kenntnisse der Werk- und Hilfsstoffe,
7.
Kenntnisse des Bestimmens, Färbens und Veredelns von Schmucksteinen,
8.
Kenntnisse der berufsbezogenen Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen,
9.
Kenntnisse der physikalischen und chemischen Eigenschaften der Edelsteine, synthetischen Steine, künstlichen Produkte und organischen Substanzen,
10.
Kenntnisse der Verfahren und der Geräte für die Bestimmung der Edelsteine,
11.
Kenntnisse der berufsbezogenen technischen Regeln, der gewerblichen Vorschriften über den Verkehr mit Edelsteinen, synthetischen Steinen, künstlichen Produkten und organischen Substanzen,
12.
Kenntnisse der berufsbezogenen Vorschriften der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes,
13.
Kenntnisse der berufsbezogenen Vorschriften des Umwelt-, insbesondere des Immissions- und Wasserschutzes, einschließlich der Entsorgung gasförmiger, flüssiger und fester Chemikalien,
14.
Entwerfen, Skizzieren und Zeichnen,
15.
Modellieren, insbesondere Herstellen von Modellen aus Ton, Plastilin, Wachs, Gips, Holz, Metall und Kunststoffen unter Anwendung der entsprechenden Formtechniken,
16.
Prüfen und Bestimmen der berufsbezogenen Werkstoffe,
17.
Bearbeiten von berufsbezogenen Werkstoffen, insbesondere durch Klopfen, Trennen, Schleifen, Schmirgeln und Polieren,
18.
Herstellen lösbarer und unlösbarer Verbindungen, insbesondere durch Schrauben, Stiften, Löten, Kitten und Kleben,
19.
Bearbeiten von Oberflächen durch Schleifen, Gravieren, Sandeln, Mattieren, Polieren und Ätzen,
20.
gemmologisches Untersuchen und Bestimmen von Edelsteinen, insbesondere mit Polariskop, Refraktometer, Mikroskop, Spektroskop, Waage und schweren Lösungen,
21.
Einschleifen von Edelsteinen, synthetischen Steinen, künstlichen Produkten und organischen Substanzen in vorgefertigte Fassungen,
22.
Untersuchen, Bestimmen und Beurteilen von Schmuck und anderen Gegenständen aus Edelsteinen, synthetischen Steinen und künstlichen Produkten,
23.
Passen und Montieren von Teilen zu Schmuck und anderen Gegenständen aus Edelsteinen, synthetischen Steinen und künstlichen Produkten,
24.
Pflegen, Instandsetzen und Restaurieren von Schmuck und anderen Gegenständen aus Edelsteinen, synthetischen Steinen und künstlichen Produkten,
25.
Anfertigen berufsbezogener Werkzeuge,
26.
Instandhalten der Betriebseinrichtungen, insbesondere der berufsbezogenen Werkzeuge, Geräte und Maschinen.

§ 2 Gliederung, Dauer und Bestehen der praktischen Prüfung (Teil I)

(1) In Teil I sind eine Meisterprüfungsarbeit anzufertigen und eine Arbeitsprobe auszuführen. Bei der Bestimmung der Meisterprüfungsarbeit sollen die Vorschläge des Prüflings nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
(2) Die Anfertigung der Meisterprüfungsarbeit soll nicht länger als zwölf Arbeitstage, die Ausführung der Arbeitsprobe nicht länger als 16 Stunden dauern.
(3) Mindestvoraussetzung für das Bestehen des Teils I sind jeweils ausreichende Leistungen in der Meisterprüfungsarbeit und in der Arbeitsprobe.

§ 3 Meisterprüfungsarbeit

(1) Als Meisterprüfungsarbeit ist eine der nachstehend genannten Arbeiten zu entwerfen und anzufertigen:
1.
eine Kamee in Flach- oder Hochrelieftechnik,
2.
eine vertieft geschnittene Darstellung zum Lesen und Siegeln,
3.
eine Skulptur,
4.
ein Schildhalterwappen,
5.
eine Schale im Relief- oder vertieften Schnitt.
(2) Der Prüfling hat vor Anfertigung der Meisterprüfungsarbeit dem Meisterprüfungsausschuß eine Entwurfsskizze mit Hauptabmessungen, ein Modell, die dazugehörige Werkzeichnung, die kolorierte Zeichnung und die Kalkulation zur Genehmigung vorzulegen.
(3) Die Werkzeichnung, die kolorierte Zeichnung, die Kalkulation sowie der Arbeitsbericht sind bei der Bewertung der Meisterprüfungsarbeit zu berücksichtigen.

§ 4 Arbeitsprobe

(1) Als Arbeitsprobe sind zwei der nachstehend genannten Arbeiten auszuführen:
1.
ein Monogramm,
2.
ein Relief in figürlicher Darstellung,
3.
eine Blüte,
4.
ein Gegenstand in abstrakter Gestaltung,
5.
eine Schattierung,
6.
eine Ornamentik-Gravur.
(2) In der Arbeitsprobe sind die wichtigsten Fertigkeiten und Kenntnisse zu prüfen, die in der Meisterprüfungsarbeit nicht oder nur unzureichend nachgewiesen werden konnten.

§ 5 Prüfung der fachtheoretischen Kenntnisse (Teil II)

(1) In Teil II sind Kenntnisse in den folgenden sechs Prüfungsfächern nachzuweisen:
1.
Technische Mathematik und Kalkulation:
a)
Berechnen von Längen, Flächen, Körpern und Gewichten,
b)
Kostenermittlung unter Einbeziehung aller für die Preisbildung wesentlichen Faktoren;
2.
Gestalten und Darstellen:
a)
Gestaltungsgrundlagen,
b)
Entwerfen, Skizzieren, Zeichnen, perspektivisches Darstellen und Kolorieren,
c)
technisches Zeichnen,
d)
Modellieren;
3.
Kunstgeschichte:
a)
Geschichte der Edelsteinbearbeitung,
b)
Geschichte der Graveurkunst,
c)
Symbolik,
d)
Heraldik,
e)
zeitgenössische Edelsteinbearbeitung;
4.
Fachtechnologie:
a)
Vorkommen, Gewinnung, Arten, Eigenschaften und Verwendung der Werk- und Hilfsstoffe,
b)
Untersuchen und Bestimmen von Edelsteinen, synthetischen Steinen, künstlichen Produkten und organischen Substanzen,
c)
Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen,
d)
Werkstoffbearbeitung,
e)
Oberflächenbearbeitung und -veredelung,
f)
Anwendung von Säuren, Basen, Salzen und Gasen,
g)
Gieß- und Abdruckverfahren,
h)
berufsbezogene technische Regeln, gewerbliche Vorschriften über den Verkehr mit Edelsteinen, synthetischen Steinen, künstlichen Produkten und organischen Substanzen,
i)
berufsbezogene Vorschriften der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes,
k)
berufsbezogene Umwelt-, insbesondere Immissions- und Wasserschutz, einschließlich Entsorgung gasförmiger, flüssiger und fester Chemikalien;
5.
Allgemeine Edelsteinkunde:
a)
Kristallsysteme und -strukturen,
b)
Kristallphysik und -chemie:Feststellen von Härte, Spaltbarkeit, Bruch, Dichte, Wärmeleitvermögen und -beständigkeit sowie von elektrischen Eigenschaften,
c)
Kristalloptik:Bewerten von optischen Eigenschaften, einschließlich Farbe und Lichterscheinungen;
6.
Spezielle Edelsteinkunde unter Berücksichtigung der materialspezifischen Bearbeitungstechnik:
a)
Edelsteine,
b)
rekonstruierte Steine,
c)
synthetische Steine,
d)
künstliche Produkte,
e)
Imitationen,
f)
Dubletten und Mixten,
g)
organische Substanzen.
(2) Die Prüfung ist schriftlich und mündlich durchzuführen.
(3) Die schriftliche Prüfung soll insgesamt nicht länger als zwölf Stunden, die mündliche je Prüfling nicht länger als eine halbe Stunde dauern. In der schriftlichen Prüfung soll an einem Tag nicht länger als sechs Stunden geprüft werden.
(4) Der Prüfling ist von der mündlichen Prüfung auf Antrag zu befreien, wenn er im Durchschnitt mindestens gute schriftliche Leistungen erbracht hat.
(5) Mindestvoraussetzung für das Bestehen des Teils II sind ausreichende Leistungen in dem Prüfungsfach nach Absatz 1 Nr. 5.

§ 6 Übergangsvorschrift

Die bei Inkrafttreten dieser Verordnung laufenden Prüfungsverfahren werden nach den bisherigen Vorschriften zu Ende geführt.

§ 7 Weitere Anforderungen

Die weiteren Anforderungen in der Meisterprüfung bestimmen sich nach der Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vom 12. Dezember 1972 (BGBl. I S. 2381) in der jeweils geltenden Fassung.

§ 8 Inkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. November 1992 in Kraft.
(2) Die auf Grund des § 122 der Handwerksordnung weiter anzuwendenden Vorschriften sind, soweit sie Gegenstände dieser Verordnung regeln, nicht mehr anzuwenden.