Verordnung über das Inverkehrbringen von Saatgut von Populationen der Arten Hafer, Gerste, Weizen und Mais

Eingangsformel

Auf Grund des § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b und c, auch in Verbindung mit Satz 2, des § 22 Absatz 1 Nummer 1, des § 27 Absatz 3 und des § 53 des Saatgutverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (BGBl. I S. 1673), von denen § 3 Absatz 3 zuletzt durch Artikel 3 Nummer 1 des Gesetzes vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1319) und § 22 Absatz 1, § 27 Absatz 3 und § 53 zuletzt durch Artikel 192 Nummer 1 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden sind, jeweils in Verbindung mit § 1 Absatz 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165) und dem Organisationserlass vom 17. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4310) verordnet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:

§ 1 Anwendungsbereich

Die Vorschriften dieser Verordnung gelten für das Inverkehrbringen von Saatgut von Populationen der in Nummer 1.1 der Anlage der Verordnung über das Artenverzeichnis zum Saatgutverkehrsgesetz genannten Arten Hafer (Avena spp.), Gerste (Hordeum spp.), Weizen (Triticum spp.) und Mais (Zea mays).

§ 2 Begriffsbestimmung

Eine Population im Sinne dieser Verordnung ist eine Pflanzengruppe, die
1.
aus einer bestimmten Kombination von Genotypen entstanden ist,
2.
nach Anpassung an die besonderen agroklimatischen Bedingungen eines bestimmten Erzeugungsgebiets dort unverändert nachgebaut werden kann, und
3.
durch eine der folgenden Züchtungsmethoden erzeugt worden ist:
a)
Kreuzung von fünf oder mehr Sorten oder Genotypen in allen Kombinationen mit anschließender Zusammenführung der Nachkommenschaft und natürlicher Auslese des Bestandes in den nachfolgenden Generationen;
b)
gemeinsamer Anbau von mindestens fünf Sorten oder Genotypen einer überwiegend fremdbefruchtenden Art mit anschließender Zusammenführung der Nachkommenschaft, mehrmaliger Wiederaussaat und natürlicher Auslese des Bestandes, bis keine Pflanzen der ursprünglichen Sorten mehr vorhanden sind;
c)
Kreuzung von Sorten oder Genotypen nach einem anderen als den unter Buchstaben a und b aufgeführten Kreuzungsschemata mit dem Ziel, eine vergleichbar heterogene Pflanzengruppe zu erzeugen, die keine der ursprünglich als Kreuzungspartner verwendeten Sorten mehr enthält.

§ 3 Anforderungen an das Inverkehrbringen von Saatgut einer Population

(1) Abweichend von § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Saatgutverkehrsgesetzes darf Saatgut einer Population ohne Anerkennung in den Verkehr gebracht werden.
(2) Saatgut einer Population darf im Übrigen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn
1.
die Population zugelassen ist,
2.
der Erzeuger die zuständige Behörde unter Angabe des Namens und der Anschrift zu dem sich aus der Anlage 1 der Saatgutverordnung für die betroffene Art ergebenden Termin über das Vermehrungsvorhaben, insbesondere über die Art, der die Population angehört und die voraussichtliche Lage der Vermehrungsflächen, unterrichtet hat,
3.
es – abweichend von der Saatgutverordnung – aus Feldbeständen erwachsen ist, die lediglich die in Anhang I Nummer 1 und 6 der Richtlinie 66/402/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut (ABl. L 125 vom 11.7.1966, S. 2309), die zuletzt durch die Durchführungsrichtlinie 2012/37/EU (ABl. L 325 vom 23.11.2012, S. 13) geändert worden ist, in ihrer jeweils geltenden Fassung genannten Anforderungen erfüllen,
4.
es – abweichend von der Saatgutverordnung – lediglich die Anforderungen an zertifiziertes Saatgut nach Anhang II Nummer 2 und 3 der Richtlinie 66/402/EWG erfüllt,
5.
es der Population angehört und
6.
die nach § 4 Absatz 1 Satz 1 je Population und Jahr festgesetzte Höchstmenge zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes nicht überschritten ist.
Für die Unterrichtung nach Satz 1 Nummer 2 sind die Vordrucke der zuständigen Behörde zu verwenden.
(3) Das Höchstgewicht einer Partie, aus der jeweils eine Probe zu entnehmen ist, und das Mindestgewicht der Probe ergeben sich – abweichend von der Saatgutverordnung – aus Anhang III der Richtlinie 66/402/EWG. Im Falle von Mais gelten die für zertifiziertes Saatgut dieser Pflanzenart genannten Anforderungen des in Satz 1 genannten Anhanges. Der Erzeuger vergibt für jede Partie eine Bezugsnummer, anhand der die Partie eindeutig erkannt werden kann.

§ 4 Beschränkung des Inverkehrbringens

(1) Das Bundessortenamt setzt je Population und Jahr eine Höchstmenge zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes fest. Die festgesetzte Höchstmenge darf 0,1 vom Hundert der Menge, die an Saatgut derselben Art in einem Anbaujahr im gesamten Bundesgebiet ausgesät wird, nicht übersteigen. Das Bundessortenamt veröffentlicht jede festgesetzte Höchstmenge im Blatt für Sortenwesen.
(2) Saatgut einer Population darf auf der ersten Handelsstufe nur von demjenigen in den Verkehr gebracht werden, dem das Bundessortenamt eine Saatgutmenge zugewiesen hat. Die Zuweisung der Saatgutmenge ist jährlich unter Verwendung der Vordrucke des Bundessortenamtes bis zu dem im Blatt für Sortenwesen bekannt gemachten Zeitpunkt beim Bundessortenamt zu beantragen.
(3) Der Antragsteller hat im Antrag anzugeben:
1.
Name und Anschrift des Antragstellers,
2.
einen Hinweis darauf, dass es sich um Saatgut einer Population handelt,
3.
die Bezeichnung der Population,
4.
die für das Jahr beantragte Saatgutmenge.
(4) Das Bundessortenamt weist den Antragstellern die Saatgutmengen zu. Übersteigt die Summe der von den Antragstellern für eine Population beantragten Saatgutmengen die für diese Population festgelegte Höchstmenge, weist das Bundessortenamt den Antragstellern die Saatgutmengen anteilmäßig gekürzt zu.
(5) Am Ende eines jeden Wirtschaftsjahres teilt der Antragsteller dem Bundessortenamt für jede Population die Menge des in Verkehr gebrachten Saatgutes schriftlich mit. Wurde das Saatgut in einen anderen Mitgliedstaat verbracht, so ist der Name des betreffenden Mitgliedstaates anzugeben.
(6) Das Bundessortenamt erfasst die jährlich je Population in den Verkehr gebrachten Saatgutmengen und unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission hierüber.

§ 5 Zulassung einer Population

(1) Eine Population ist zuzulassen, wenn
1.
für sie ein Antrag nach Maßgabe des § 6 gestellt worden ist,
2.
sie sich identifizieren lässt durch
a)
die bei der Kreuzung zur Erzeugung der Population verwendeten Sorten oder Genotypen,
b)
das zur Erzeugung der Population verwendete Kreuzungsschema,
c)
das Erzeugungsgebiet,
d)
den Grad der Heterogenität bei selbstbefruchtenden Arten, sowie
e)
die vom Erzeuger für die betreffende Population beschriebenen wesentlichen Eigenschaften wie Ertrag, Ertragsstabilität, Qualität, Nutzbarkeit für extensive Bewirtschaftungsformen oder Krankheitsresistenz,
3.
sie durch eine Bezeichnung entsprechend Artikel 63 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227 vom 1.9.1994, S. 1), die zuletzt durch Verordnung (EG) Nr. 15/2008 (ABl. L 8 vom 11.1.2008, S. 2) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung unter Anfügen des Wortes „Population“ bezeichnet ist.
(2) Das Bundessortenamt entscheidet auf Grundlage der nach § 6 durch den Antragsteller gemachten Angaben über die Zulassung einer Population.
(3) Die Zulassung einer Population kann unbeschadet der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten widerrufen werden, wenn der Erhaltungszüchter seinen Pflichten nach § 10 binnen einer vom Bundessortenamt gesetzten Frist nicht nachkommt.
(4) Das Bundessortenamt unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission über die Zulassung einer Population.

§ 6 Antrag auf Zulassung einer Population

(1) Der Antragsteller hat mit dem Antrag auf Zulassung einer Population beim Bundessortenamt folgende Angaben zu machen:
1.
Name, Anschrift und Telekommunikationsangaben des Antragstellers,
2.
Pflanzenart, der die Population angehört,
3.
Bezeichnung der Population, die die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 erfüllt,
4.
Beschreibung der Eigenschaften der Population nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe e sowie Versuchsergebnisse, die Aufschluss über die beschriebenen Eigenschaften geben,
5.
Beschreibung der Erzeugung der Population nach § 2 Nummer 3,
6.
Ziele des Züchtungsprogramms,
7.
zur Züchtung verwendete Sorten,
8.
Grad der Heterogenität,
9.
Erzeugungsgebiet,
10.
Beschreibung der Erhaltungszüchtung der Population,
11.
Name, Anschrift und Telekommunikationsangaben des Erzeugers, sofern abweichend vom Antragsteller.
Ferner hat der Antragsteller in dem Antrag die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben nach den Nummern 1 bis 11 zu versichern.
(2) Mit dem Antrag nach Absatz 1 ist Saatgut einer repräsentativen Probe der Population vorzulegen. Das Bundessortenamt macht durch Allgemeinverfügung die im Rahmen der Prüfung des Zulassungsantrages erforderliche Mindestmenge der Probe im Blatt für Sortenwesen bekannt.
(3) Für den Antrag nach Absatz 1 und die Angabe der Bezeichnung der Population sind die Vordrucke des Bundessortenamtes zu verwenden.

§ 7 Kennzeichnung

Saatgut von Populationen darf nur in Packungen oder Behältnissen in den Verkehr gebracht werden, auf denen sich ein Etikett, ein Aufdruck oder ein Stempelaufdruck des Erzeugers mit folgenden Angaben befindet:
1.
„Befristeter Versuch gemäß EU-Vorschriften und -Standards“,
2.
Name oder Kennzeichen der zuständigen Behörde,
3.
„Bundesrepublik Deutschland“,
4.
Name und Anschrift des kennzeichnenden Erzeugers oder dessen Registrierungsnummer,
5.
Erzeugungsgebiet,
6.
Bezugsnummer der Partie,
7.
Monat und Jahr der Verschließung mit der Angabe „verschlossen …“ oder Monat und Jahr der letzten amtlichen Probenahme mit der Angabe „Probenahme …“,
8.
Pflanzenart, zumindest die botanische Bezeichnung (ohne Autorennamen),
9.
Bezeichnung der Population gefolgt von der Angabe „Population“,
10.
Netto- oder Bruttogewicht oder Zahl der Körner,
11.
bei Angaben des Gewichtes und im Falle der Verwendung von granulierten Pflanzenschutzmitteln, Granulierungsstoffen oder anderen festen Zusätzen, die Art des Zusatzstoffes und das ungefähre Verhältnis zwischen dem Gewicht des reinen Saatgutes und dem Gesamtgewicht,
12.
Wert der Keimfähigkeit in vom Hundert der reinen Körner nach einer Wiederverschließung, sofern im Zuge der Wiederverschließung die Keimfähigkeit festgestellt worden ist.

§ 8 Verschließung

(1) Packungen oder Behältnisse von Saatgut von Populationen sind von demjenigen zu schließen und mit einer Sicherung zu versehen, der sie gekennzeichnet hat. § 34 Absatz 2 und 4 der Saatgutverordnung gilt entsprechend.
(2) Die Sicherungen dürfen nach Farbe und Aufschrift nicht mit Plomben, Banderolen oder Siegelmarken für Packungen oder Behältnisse anerkannten Saatgutes verwechselbar sein.

§ 9 Aufzeichnungspflicht

Wer Saatgut von Populationen in den Verkehr bringt, abfüllt oder für andere bearbeitet, hat über alle Eingänge und Ausgänge von Saatgut von Populationen Aufzeichnungen nach Maßgabe des Satzes 2 zu machen und diese sechs Jahre aufzubewahren. Den Aufzeichnungen müssen folgende Angaben zu entnehmen sein:
1.
die Bezeichnung der betreffenden Population,
2.
der Tag, an dem das Saatgut in seinen Besitz oder seine Verfügungsgewalt gelangt ist,
3.
der Lieferant,
4.
der Tag des Ausgangs,
5.
der Empfänger oder der Verbleib,
6.
das Netto- oder Bruttogewicht oder die Zahl der Körner,
7.
die Bezugsnummer der Partie.

§ 10 Weitere Pflichten von Erhaltungszüchtern von Saatgut von Populationen

Erhaltungszüchter von Populationen haben die Grundsätze systematischer Erhaltungszüchtung der betreffenden Art zu beachten sowie Protokolle über die jeweilige Erhaltungszüchtung anzufertigen und diese sechs Jahre aufzubewahren.

§ 11 Andere Aufgaben des Bundessortenamtes

(1) Das Bundessortenamt führt vergleichende Feldversuche mit den nach § 5 zugelassenen Populationen durch.
(2) Das Bundessortenamt überwacht die Erhaltungszüchtung von Populationen insbesondere unter Verwendung von Saatgutproben der betreffenden Population sowie anhand der durch den Erhaltungszüchter der Population nach § 10 angefertigten Protokolle.

§ 12 Aufgaben der zuständigen Behörden bei der Überwachung

(1) Die Feldbestände jedes Vermehrungsvorhabens sind im Jahr der Saatguterzeugung mindestens zweimal amtlich zu besichtigen.
(2) Der von der zuständigen Behörde beauftragte Probenehmer entnimmt von mindestens fünf vom Hundert aller Vermehrungen von Populationen Saatgutproben, die hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 amtlich zu untersuchen sind.

§ 13 Übergangsbestimmungen

Auch nach dem Außerkrafttreten dieser Verordnung können Partien von Saatgut von Populationen weiter in den Verkehr gebracht werden, soweit das Bundessortenamt für die Population nach § 4 Absatz 4 bereits eine Saatgutmenge zugewiesen hat.

§ 14 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 28. Februar 2021 außer Kraft.

Schlussformel

Der Bundesrat hat zugestimmt.