Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes

Eingangsformel

Auf Grund des Artikels 60 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes ordne ich an:

Art 1 Vorbehaltene Gnadenentschließungen

Ich behalte mir vor, in rechtskräftig abgeschlossenen Strafsachen, Disziplinarsachen oder Ehrengerichtssachen, in denen das Begnadigungsrecht dem Bund zusteht, folgende Gnadenerweise selbst zu erteilen:
1.
den Erlaß oder die Milderung einer Strafe, wenn der Bundesgerichtshof oder in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug oder wenn ein anderes Gericht des Bundes erkannt hat, mit Ausnahme der Gewährung von Strafausstand;
2.
die Beseitigung der dienst- oder versorgungsrechtlichen Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung;
3.
die Aufhebung der nachstehend bezeichneten Disziplinarmaßnahmen:
a)
Entfernung aus dem Dienst oder dem Dienstverhältnis,
b)
Aberkennung des Ruhegehalts oder Aberkennung der Rechte aus dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen;
4.
die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags;
5.
die Aufhebung der gegen einen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof erkannten Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft.

Art 2 Übertragung von Gnadenbefugnissen

(1) Soweit ich mir die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes nicht vorbehalten habe, übertrage ich sie
1.
den Präsidenten des Deutschen Bundestages, des Bundesrates, des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesrechnungshofes und der Deutschen Bundesbankin Disziplinarsachen der Beamten und Ruhestandsbeamten ihres Geschäftsbereichs;
2.
den Bundesministernin Disziplinarsachen und in Ehrengerichtssachen ihres Geschäftsbereichs;
3.
dem Bundesminister des Innern oder dem Bundesminister, dem die Befugnisse als Einleitungsbehörde übertragen worden sind,in Disziplinarsachen der Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder Versorgungsberechtigten im Sinne des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen.
(2) Die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes übertrage ich ferner
1.
dem Bundesminister der Justizin rechtskräftig abgeschlossenen Strafsachen, in denen erkannt hat:
a)
der Bundesgerichtshof oder in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug oder ein anderes Gericht des Bundes, soweit ich mir die Entschließung nicht vorbehalten habe,
b)
das Reichsgericht im ersten Rechtszug, der ehemalige Volksgerichtshof, ein früheres Wehrmachtgericht oder ein Gericht eines früheren wehrmachtähnlichen Verbandes,
c)
ein Gericht, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird;
2.
den zuständigen Bundesministern
a)
in Bußgeldsachen, die durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid einer Verwaltungsbehörde des Bundes abgeschlossen worden sind, sowie in rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafsachen nach früherem Recht,
b)
in rechtskräftig abgeschlossenen Ordnungsstrafsachen ihres Geschäftsbereichs.
(3) Die Ermächtigungen gelten nicht für Fälle von außerordentlicher Bedeutung; in diesen behalte ich mir vor, selbst zu entscheiden.

Art 3 Weiterübertragung von Gnadenbefugnissen

Ich ermächtige die Bundesminister, denen ich die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes übertragen habe, ihre Befugnisse allgemein oder im Einzelfall auf nachgeordnete Stellen zu übertragen.

Art 4 Verfahren in Gnadensachen

Die Bundesminister und die in Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten obersten Dienstbehörden bereiten die mir vorbehaltenen Entscheidungen in den Gnadensachen ihres Geschäftsbereichs vor. Ist eine zuständige Stelle nicht vorhanden oder erachtet sich keine Stelle für zuständig, so obliegt die Vorbereitung dem Bundesminister des Innern.

Art 5 Schlußvorschrift

Diese Anordnung tritt am Tage ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig wird die Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 10. Dezember 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 790) aufgehoben.